Mein Alles!

– Liebesbriefe zwischen Anton und Mathilde von 1859 bis 1862.

Aufgefunden und gelesen von Theodor Schmidt. Dazu erklingen Lieder von Franz Schubert, Robert Schumann, Felix Mendelssohn-Bartholdy u.a., gesungen und gespielt von Christoph und Gabriele Reichstein, Alt und Klavier.

Geschmuggelte Liebesbriefe von 1859-1862: Es sind kleinformatige Briefe mit einer winzigen Schrift, unadressiert, überbracht von einem heimlichen Boten: Die Liebesbriefe zwischen dem Steuerbeamten Anton aus München und seiner Geliebten Mathilde. Die Liaison ist geheim, denn die Kirche sieht Ehehindernisse; außerdem soll Mathilde eine Verwandte pflegen. Anton formuliert seine Sehnsucht in poetischen Worten. – Theodor Schmidt ersteigerte die handschriftlichen Liebesbriefe 2008 bei Ebay und entzifferte sie.
Neuerdings wird die Lesung musikalisch live begleitet.

 

Auszug 1:

O mein Alles! was gäbe ich nicht Alles darum, wenn ich mit Dir vereinigt endlich der Qual der Trennung los und ledig wäre! Wenn ich Deinen Schmerz durch theilnehmende Worte lindern, an Deinen Freuden mich mitfreuen könnte, Deine Sträne glätten und die Freude durch süßen Kuß erhöhen könnte! O mein Alles! wie beschäftige ich mich immer und gerne mit den Gedanken, wie ich es ergehen werde, um Dich recht zufrieden und glücklich zu machen, das Glück unserer Liebe recht zu genießen und die Erinnerung an die Zeit der Trennung durch den ruhigen Genuß unserer Liebe zu bannen.
Herz! o komm laß Dich küssen! Bei dem Gedanken Du mein Weibchen schwellen mir die Adern, pocht hörbar der Puls. Ist die Zeit auch nicht dem Tage nach bestimmt, so ist doch der Augenblick des Endes unserer Trennung und der Anfang unserer Wonne gewiß und das macht mich muthig.
Vielleicht näher als ich in meinen pessimistischen Anschauungen glaube, ist der Zeitpunkt, – Herz – mein Alles – welche Wonne durchglüht meine Brust. O komm, Herz! an meine Seite! laß meinen Arm um Dich schlagen – Herz, o rück’ näher – noch mehr – o mich zieht es unwiderstehlich an Deinen Busen – o – fühlst Du meiner Lippen Gluth – meines Armes Zittern – o laß mir Deine Lippen – o nicht weg von mir – Herz – o wenn Du mich jetzt sehen könntest! – o mein Alles – so – so – – noch – noch fester – Herz – – – – o – – o – mein Alles – jetzt – o nicht weg – jetzt – o Wonne. Du hast recht viel ausgestanden bei dem letzten Sturme.

Auszug 2:

Wenn ich mir Dich so denke, wie Du in der Ordnung der häuslichen Geschäfte begriffen im allerliebsten Negligé so emsig hin und her eilst, und dabei eine kleine Neckerei Deine Geduld erprobt, wenn Du mich dann, über die Störung in Deinen Verrichtungen mit einem ‚Lass mich doch gehen‘ scheinbar ärgerlich, mit Deinen lieben Augen ansiehst, und wenn ich dann, um ein Küsschen bittend, Verzeihung erflehe, und wir dann Mund an Mund und Herz an Herz Versöhnung feiern – o ist das, muss das nicht schön sein?