
Freitag, den 28. Juni 2024, ab 19 Uhr
im Stadtteilzentrum Campus Kiezspindel, Rudower Straße 37/39, 12557 Berlin.
Nähe S-Bhf. Spindlersfeld.
Eintritt: Frei.
Die anfangs 17-jährige Hilde Vogdt (* 1903) wohnt mit ihrer verwitweten Mutter in Berlin am Nordhafen, Boyenstraße 5. Von Anfang 1921 bis Sommer 1922 schreibt sie Tagebuch, und zwar meist über das Flirten und „Vergnügen“, d.h. über Tanzveranstaltungen, zu denen sie sich oft bis zum Morgen vergnügt.
Auf fast jedem Vergnügen hat sie einen neuen Schwarm, „ohne geht es schon gar nicht mehr.“ Sie bezeichnet sich selbst als „Kratzbürste“; Zärtlichkeiten begegnet sie meist resolut und abweisend. Ihr Herz hängt immer noch an ihrem ersten Freund Max Buntebart…
Ein herrliches Tagebuch einer selbstbewussten jungen Frau aus dem Berliner Nachtleben, kurz vor dem Beginn der „Wilden 20er“.
Zwei Auszüge:
- Über ein Tanzvergnügen: „Am Sonnabend waren wir zum Vergnügen im K.V.A. vom Turnverein. Da hatte ich zum ersten Mal mein seidenes Kleid an, schöne dünne Strümpfe und neue Schnallenschuhe. Ich gefalle mir selbst in dem neuen Kleid! Jawohl, so eitel bin ich. Zweimal kam von unserem Nachbartisch ein hübscher großer Mensch. Der tanzte sehr schön, aber ich glaube, der war zu sinnlich veranlagt, denn der presste mich immer an sich und guckte mir so tief in die Augen, dass mir himmelangst dabei wurde. Und Backe an Backe hat dieser unverschämte Mensch auch mit mir getanzt. (Es war aber doch ganz schön.) Nachher fragte er mich, ob ich nicht mit ein bisschen nach draußen käme. Ich schlug ihm dieses ab, denn mir ahnte, was mir da geblüht hätte.“
- Über einen Verehrer, der sie auf der Straße anspricht: „Am Zoo, dort ist es ja immer sehr belebt. Da wimmelt es ja man so von einem Lebevölkchen. Bin verschiedene Male angequatscht worden, habe natürlich gleich die richtige Antwort darauf gegeben und bums, machten meine Herren kehrt. Als ich so ziemlich am Bahnhof Zoo war, spricht mich wieder einer an. Sehr höflich fragte er, ob ich es gestatte, dass er mich begleite. Ach was, denke ich, bist gleich angelangt, sagst ja. Ich sagte ihm, wenn es ihm Vergnügen bereitet, bis zum Bahnhof. Er fragte mich, wo ich hinwollte, und bat mich, ich möchte doch mit ihm den Abend zusammen verleben, und lud mich gleich in eine Weinstube ein. Nun wusste ich Bescheid. Jetzt war ich aber auch nicht dumm und gab ihm feste Antwort. Er bat und schmierte; und wenn es ein halbes Stündchen wär. Schließlich waren wir angelangt am Bahnhof, und ich verabschiedete mich von ihm. Er schüttelte mir so die Hand, als wenn wir alte Bekannte wären, und ich musste ihm noch das Versprechen geben, ihn anzurufen, wann wir uns treffen könnten. Er nannte seinen Namen und seine Telefonnummer. –
Ein schneidiger, charmanter Mensch war es, nobel angezogen, gut gesprochen, schöne Figur, aber schade, weiter nichts. Ich habe ihn ungefähr auf 30 Jahre geschätzt. Dass ich nicht anrufe, das ist ja nun mal klar. –“